In Between - neue Bilder von Miro Zahra
von Peter Funken
Was kann Malerei heute darstellen und abbilden? Wo liegt ihre Bedeutung für das Verständnis von Wirklichkeit und Gegenwart? Welche Aspekte von Wirklichkeit, Gegenwart und Weltverständnis kann Malerei angesichts der immensen Bildproduktion in Film, Video, lnternet, Fotografie und ihren hybriden Formen beschreiben? Und - frei nach Cezanne - was kann man noch malen, wenn alles verschwunden ist? Eine Ausstellung der Künstlerin Miro Zahra (* 1 960) im Staatlichen Museum Schwerin gibt derzeit zu diesen und weiteren Fragen Anschauung und Auskunft.
Die in Plüschow bei Grevesmühlen lebende Künstlerin zeigt im Schweriner Museum - einem der besten Museen in Norddeutschland - Bilder, die sich im Vorstellungsraum von Poetik und Technik, Wissenschaft und Ästhetik ansiedeln Das Bedeutungsvolle und Diffuse, das in ihrer Arbeit auch aufgrund des Umstands eintritt, daß keines der erwähnten Gebiete vollends dominiert, gibt Miro Zahras Malerei einen besonderen retinalen Reiz und den intellektuellen Thrill, der neugierig macht und zum genauen Hinsehen und Nachdenken anregt.
Mit ihren Bildern beschreibt die Künstlerin eine faszinierend schöne Wirklichkeit: Hauptsächlich mit den Mitteln der ölmalerei zeigt sie spezielle Bereiche von Natur und Welt - genauer gesagt, Formen mikround makroskopischer Ordnung, die in gewißer Hinsicht direkte Parallelen zu wissenschaftlichen Abbildungs-und Darstellungsverfahren besitzen. Die Formen dieser Malerei sind erfunden, - aber sie wurden inspiriert durch die Natur - und bildnerisch erfaßt durch die Naturbetrachtung und das Naturverständnis Miro Zahras.
Mit ihrer Malerei schaut die Künstlerin tiefer und weiter als die stärksten
Mikro- und Teleskope, denn in ihrer Kunst handelt sie nicht objektiv, noch subjektiv, sondern allein aus inspirierter Vorstellung und einem Bewußtsein von Form und Naturvorbild.
Bei Miro Zahras Malerei geht es deshalb nicht um die Oberfläche, sondern um die Struktur, nicht um die Farbe, sondern um die Materie, nicht um Statik, sondern um den Prozess. In ihrer Kunst - sei es in der Malerei oder bei den Installationen, von denen zwei im Aussenraum in unmittelbarer Nähe des Museums zu sehen sind, zeigt sie den Wandel in der Wiederholung und das Verhältnis vom Element zur (Bild)Organisation.
Erinnern manche ihrer Bilder an die (foto)graphischen, elektro- und spektralmikroskopischen Darstellungen von Zellstrukturen, Proteinen oder genetischem Material, so geht es doch letztlich um Vorstöße in einen geistigen Raum, der - im Sinne Miro Zahras - selber Teil eines natürlichen und kreatürlichen Ganzen ist.
Für die in Prag aufgewachsene und seit vielen Jahren in Deutschland lebende Künstlerin, die gleichzeitig Leiterin des Mecklenburgischen Kunstlerhauses Schloss Plüschow ist, spielt die Beschäftigung mit der Natur eine große Rolle und stellt sich nicht nur in der präzisen, technisch aufwendigen und experimentellen Malerei ein, sondern auch in einer insgesamten Auseinandersetzung mit Fragen nach dem Begriff von Zeit und Raum, und somit letztlich den Themen von Unendlichkeit, Wahrheit und Geist.
Folgt man dem immanent philosophischen Ansatz ihrer Kunst, so findet sich der deutlichste Ausdruck des geistigen Prinzips in der Natur und ihren Prozessen. Dies ist ansich kein neuer Gedanke; schon christliche Mystiker wie Meister Fckardt haben auf diesen Zusammenhang gedeutet und in der Kunst der Romantik - etwa bei Caspar David Friedrich - wurde die Vorstellung einer göttlich inspirierten Natur zum verbindlichen Ansatz für ein neues Verhältnis von Individuum zu Gott und Gesellschaft. Aber Miro Zahra malt keine Berge, noch Wälder und Seen, sondern zeigt innere Landschaften, psychische Räume und spirituelle Territorien. Damit steht sie in einer Tradition gegenstandsloser Kunst, die bei Kasimir Malewitsch, Paul Klee und Piet Mondrian beginnt, und von Künstlern wie Barnett Newman und Ad Reinhardt seit den 40er und 50er Jahren dieses Jahrhunderts zu radikalen Ausdrucksformen geführt wurde.
Angesichts der Frage, wie in einer eindeutig materiell gepolten Kultur, Sensitivität, Transzendenz und Kontemplation noch glaubwürdig bildnerisch darstellbar sind, zeigt Miro Zahras Malerei neue Dimensionen und Möglichkeiten auf, benennt Kontexte (eben zum wissenschaftlichen Bild) und bewältigt die gestellte Aufgabe konkret und beispielhaft.